16.05.2019

Zivilgesellschaft ist gemeinnützig / Engagement braucht Rechtssicherheit

Der AK Asyl Bielefeld ist der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ beigetreten. Hintergrund der Initiative ist ein Entscheid des Bundesfinanzhofs dem globalisierungskritischen Netzwerk "attac" die Gemeinnützigkeit wegen "Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung" abzuerkennen. Durch diese Entscheidung sind Vereine, die sich politisch äußern, ständig der Gefahr ausgesetzt, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Das wollen wir ändern und Rechtssicherheit schaffen durch gesetzliche Klarstellungen.

Schriftzug "Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung"

Hunderttausende Menschen, die die Welt besser machen wollen, engagieren sich bei gemeinnützigen Vereinen. Sie tun das nicht im Eigeninteresse, sondern für das Allgemeinwohl. Doch immer mehr Finanzämter meinen, dass dieses Engagement nicht gemeinnützig sei. Sie bemängeln politisches Engagement. Sie fordern, Zwecke wie „Schutz der Menschenrechte“ aus der Satzung zu nehmen. Sie drohen mit einer hohen Nachversteuerung, wenn eine Umwelt-Organisation Demonstrationen organisiert.

Zivilgesellschaft ist gemeinnützig – doch Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich regelmäßig politisch äußern, sind ständig der Gefahr ausgesetzt, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Um das zu ändern, haben sich knapp 100 Organisationen in der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ zusammen getan, um das Gemeinnützigkeitsrecht zu ändern. Das Bündnis ist für weitere Organisationen offen, die tatsächlich oder potentiell von solchen Auseinandersetzungen um ihre Gemeinnützigkeit bedroht sind.

Der gesellschaftliche und politische Konsens, was gemeinnützig ist, weicht von den im Gesetz definierten Kriterien ab. Die Allianz fordert daher, dass die Politik die allgemein geteilte Definition von Gemeinnützigkeit klar und deutlich ins Gesetz schreibt, so dass für gemeinnützige Organisationen und auch Behörden Klarheit und Rechtssicherheit besteht. Das Ermessen der Finanzämter in der Beurteilung wird damit beschränkt, unnötige Auseinandersetzungen und Belastungen werden vermieden.

Das langfristige Ziel der Allianz “Rechtssicherheit für politische Willensbildung” ist ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht. Kurzfristig will sie eine Änderung der Abgabenordnung erreichen, um einerseits klarzustellen, dass gemeinnützige Organisationen zur Erreichung ihrer Zwecke selbstverständlich Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen dürfen; und um andererseits zusätzliche Zwecke aufzunehmen, da die bisherigen Zwecke das Spektrum zivilgesellschaftlicher Arbeit zum Wohle der Allgemeinheit nicht abdecken.

Im Gesetz fehlen wichtige und allgemein anerkannte gemeinnützige Zwecke. Zum Beispiel das Engagement zum Schutz von Menschenrechten, für soziale Gerechtigkeit oder zur Gleichstellung aller sexuellen Identitäten fördert natürlich die Allgemeinheit stehen nicht als Zwecke in der Abgabenordnung.

Heute haben Finanzämter einen großen Interpretationsspielraum, da die Rechtslage mehrdeutig ist. Was das eine Finanzamt als gemeinnützig anerkennt, wird an einem anderen Ort in Frage gestellt. Was eine Sachbearbeiterin heute anerkennt, kann ihr Nachfolger in einigen Jahren bemängeln. Für die Organisationen ist nicht vorhersehbar, ob und wann ihre politischen Aktivitäten ihren Status der Gemeinnützigkeit gefährden.

Wird die Gemeinnützigkeit dann in Frage gestellt, ist das ein Schaden für das Image der Organisation und ein Schaden für engagierte Spenderinnen und Spender, die ihre Zuwendungen nicht mehr steuerlich geltend machen können. Vom Status der Gemeinnützigkeit hängen zudem die meisten öffentlichen und privaten Fördermittel ab. Noch schlimmer jedoch ist, dass die tatsächlichen Vereinsaktivitäten immer wieder neu rückwirkend beurteilt werden. Gemeinnützigen Vereinen und ihren Vorständen drohen dadurch Nachforderungen in Höhe von 30 Prozent der Spendeneinnahmen für die vergangenen zehn Jahre – das ist existenzbedrohend. Dieses Risiko kann Vereine davon abhalten, ihre Grundrechte auf Meinungsäußerungsfreiheit und Versammlungsfreiheit wahrzunehmen. Der Gesellschaft entgehen damit wichtige Impulse.

Zur politischen Willensbildung tragen die Parteien bei, steht in Artikel 21 des Grundgesetzes. Das bedeutet, dass sie nicht die einzigen sind, die dazu beitragen. Und klar ist, dass weitere Beitragende nicht nur Lobby-Verbände im ausschließlichen Interesse ihrer Mitglieder sein dürfen. Bürgerinnen und Bürger schließen sich in Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen, um an der politischen Willensbildung im Interesse der Allgemeinheit beizutragen. Das gehört zur modernen Gesellschaft, das will die Politik – jetzt muss das auch ins Gemeinnützigkeitsrecht geschrieben werden.